Mit Jimmy into the Jungle

Das war heute (10.03.2020) ein ziemlicher Schock.

Um ehrlich zu sein, weiß ich schon jetzt – 8 Stunden später – eigentlich nicht mehr so genau, was passiert ist. 

Im Nachhinein bin ich einfach überglücklich, dass wir mehr oder weniger gesund und munter sind und unsere eigenen Habseligkeiten scheinbar schadlos aus dem Mietauto kamen.

Deswegen gibt es nun eine kleine Zusammenfassung der Geschehnisse, die uns Anfang März während unseres Bali Aufenthalts passiert sind.

Etwas Sightseeing und dann schnell zur Unterkunft

Eigentlich war der Tag bis 16 Uhr sehr entspannt gewesen, wenn man 3 Stunden Auto fahren in Indonesien entspannend findet. Wir sind nach unserem Frühstück gegen 10 Uhr in Munduk im Norden Bali’s gestartet, um uns den Sekumpul Wasserfall anzuschauen. Danach ging es dann direkt Richtung Mount Batur zum Volcano Hostel. Hier wollten wir zwei Nächte bleiben, um die Kletterwand am Talrand am nächsten Morgen auszutesten, die wir bei unserer Recherche zuvor auf der Seite von Jack Lyons gefunden hatten.

Wie immer in den letzten Jahren haben wir MAPS.ME für alle Navigationshilfen herangezogen, da die Offline-Karten immer ausführlich aufgebaut sind, auch wenn die Navigation manchmal etwas verwirrend oder sogar verrückt scheint. Über die Google Maps und Co. Navigation hatten sicher schon einige Leute Horrorstories gehört, in denen Menschen in Flüsse fuhren oder auf Flughäfen umgeleitet worden sind.

Wir hatten uns dennoch wieder zu 100% auf die Navigation verlassen, um noch das letzte Stück unserer heutigen Bali-Tour zu schaffen.

Bis zu diesem Zeitpunkt lief alles ziemlich glatt, obwohl uns das Navi bereits am Morgen über einige Platten- und Feldwege durch den Urwald schickte.

Das war nun auch der Grund, weshalb wir die Abfahrt in den erweiterten Kraterrand des Baturs am Pinggan Sunrise Campingplatz entlang nutzten.

Was ist hier überhaupt passiert?

Der Weg war im ersten Moment (gefühlt) ähnlich steil, wie andere Wege zuvor auch, doch die Kurven und der Gegenverkehr machten die Situation für mich scheinbar so unübersichtlich, dass ich die Situation ziemlich falsch einschätzte.

Wie schon den ganzen Tag benutzte ich auch auf dieser Strecke die Motorbremse, da ich die normale Bremse unseres Suzuki Jimmys (auf den folgenden Bildern dargestellt) eigentlich nicht ideal fand. So machte ich es also auch in der letzten Abfahrt vor der letzten richtigen Kurve.

Am Anfang dieser letzten Abfahrt stand ich noch kurz auf der Kupplung, da ich sicherlich gerade noch vom ersten in den zweiten Gang geschaltet hatte – warum ich das getan habe, weiß ich leider nicht mehr genau. Im Kopf blieb mir nur, dass uns kurz zuvor ein Fahrzeug entgegen kam, bei dem es bereits beinah zu einem Zusammenstoß gekommen wäre.

Durch die gedrückte Kupplung und den steilen Weg wurde das Auto natürlich direkt etwas beschleunigt, weswegen ich also mehr oder weniger ruckartig entkuppelte, um die Bremswirkung der Bremse zu unterstützen.

Trotz des zweiten Gangs beschleunigte das Auto so stark weiter, sodass ich zusätzlich mit aller Kraft in die Bremse trat, was zu meinem Entsetzen überhaupt nichts mehr brachte.

Somit musste innerhalb von wenigen Millisekunden die Entscheidung getroffen werden zwischen:

  1. Geradeaus über einen Busch ins …? Ja, wohin überhaupt?
  2. Weiter bremsen und voll um die Kurven. Aber was ist mit Gegenverkehr? Was ist denn eigentlich hinter der Kurve? 

Ich weiß nicht, was in diesem Moment das Beste gewesen wäre. Vielleicht hätten es auch einige geschafft und hätten das Auto um die Kurve lenken können.

Vielleicht… Hätte ich doch… Am Ende tat ich es jedenfalls nicht.

Ausführung Note 3 – 4 aber noch positiver Gesamteindruck

In diesem Moment ging es bei uns jedenfalls nur noch gerade aus aber so heftig, wie noch nie zuvor in unserem Leben – alle Achterbahnen eingeschlossen.

Von der Straße runter durch‘s Grasgebüsch und direkt 3 Meter die erste Böschung abwärts und erst einmal gegen eine kleine Dreckkante von ca. 0,5 Meter.

Die Kante verhalf unserem Jimmy – und damit auch uns – zur ersten Vorwärtsrolle, sodass wir nochmal 5 Meter die nächste Böschung hinunterrollten.

Wie wir nun genau herumgewirbelt worden sind, kann ich nicht mehr aus dem Kopf sagen. Am Ende lagen wir mit der Front in Richtung Straße auf der Beifahrerseite des Autos, wie man auf den Bildern vom Tag danach erkennen kann.

Ein Mitarbeiter der Mietwagenfirma sah sich den Schaden vor Ort an.
Der Unfall in einem Bild

Der Schock

Kurzzeitig war alles vollkommen ruhig aber nach einem Bruchteil einer Sekunde stellten sich sofort Schock und Panik ein.

Wo bin ich?
Geht’s mir gut?
Geht es Lisann gut?!
WTF?! Was ist da gerade passiert?

Der erste Blick ging nach links zur Beifahrerseite, um zu schauen, wie es Lisann geht.

In Indonesien bzw. auf Bali herrscht, wie in erstaunlich vielen Ländern Linksverkehr, weswegen ich als Fahrer rechts und Lisann als Beifahrer natürlich links saß.

Glücklicherweise waren wir beide angeschnallt und die Sicherheitsgurte hatten trotz unserer anfänglichen Skepsis ausgezeichnet funktioniert. Es hielt sogar so gut, dass ich auf meinem Fahrersitz sitzen blieb, obwohl das Auto auf der Beifahrerseite lag.
Als der Schock der ersten Sekunde bei mir überwunden war, arbeitete ich mich erst einmal behutsam aus dem Sitz, da ich irgendwie dort stehen musste, wo Lisann noch saß bzw. seitlich lag, um ihr dann aus ihrer Lage zu helfen.

Raus aus dem Auto!

(Vielleicht ist der nächste Teil etwas unangenehm für manche beim Lesen. Deswegen vielleicht einfach den Absatz überspringen)

Als ich nun dort im Auto geduckt stand, fiel mir erst auf, dass sie mit der Haut ihres Arm’s im Blech ihrer Tür hing und sich nicht herausbewegen konnte. Aus dem Grund musste ich also das Blech leicht anheben, damit sie den Arm mit einem kleinen Ruck abziehen konnte.

Ich war erstaunt, wie weit sich Haut dehnen kann.

Anschließend ging es nun ans Herausklettern aus dem Auto, was gar nicht so einfach war, da wir nur durch die Frontscheibe auf der Fahrerseite herauskamen, die man auf dem nächsten Bild vielleicht erkennen kann.

Lisanns Beifahrersitz (an der kleinen Metallkante am Fenster hing ihr Arm fest)
Das Loch, durch das wir uns am Lenkrad vorbeigeschlängelt haben, ist hier gut zu erkennen.

Hilfe?

Etwas verwirrt und in Panik vor einem etwaigen Feuer oder einer Explosion ging es zu erst in die falsche Richtung noch weiter die Böschung hinunter, bis wir dann doch noch am Auto vorbei hoch zur Straße kraxeln konnten.

Explosion?! Diese blöden Hollywood-Filme traumatisieren einen auch mit irrationalen Ängsten! Erst die Angst vor Weißen Haien im Badesee und nun natürlich explodierende Autos.

Ok, zurück zum Thema.

Da alles sehr schnell ging, liefen wir nun im Nieselregen denkbar schlecht bekleidet die Straße in Richtung des nächsten Dorfs. Lisann in Badeanzug, Rock und Flip-Flops und ich barfuß in T-Shirt, Shorts und mit einem Hut in der Hand, in den es glücklicherweise irgendwie mein Portemonnaie geschafft hatte.

Warum barfuß? Weil ich so besser fahren kann als mit Flip-Flops.

Nach ein paar hundert Metern trafen wir zum Glück auf eine nette ältere Frau auf einem Moped, die kein Englisch sprach aber scheinbar doch bemerkte, dass wir etwas ärztliche Hilfe suchten. Sie fuhr uns also sofort in das 1 – 2 km entfernte nächste Dörfchen, um dort etwas Hilfe für uns zu finden.

So fuhren wir also zu dritt auf dem Moped durch den Nieselregen. Vorne die nette ältere Frau, dahinter Lisann mit ihrem blutigen Arm und ganz am Ende ich mit überlebenswichtigem Sonnenhut in der Hand.

An einem kleinen Kiosk fanden wir dann auch sehr nette hilfsbereite Menschen, wie den netten Kioskbesitzer, der erst einmal zur Beruhigung einen Kaffee für uns kochte. Er kontaktierte außerdem seinen Cousin und bat ihn um Hilfe, da dieser scheinbar ein Auto besaß. Damit hatten wir dann auch einen etwas komfortableren Transport Richtung Krankenhaus.

Endlich im Krankenhaus

So ging es dann also nach 15 min vom Kiosk weiter zum nächstgelegenen Krankenhaus, was man aber sicher nicht mit einem Krankenhaus in Deutschland vergleichen kann. Im Süden von Bali gibt es einige sehr gute und dementsprechend teure Krankenhäuser, die sich auf reiche Indonesier und Touristen spezialisiert haben. Ein paar Infos dazu gibt es auf der Seite von IndoJunkie.

Hier waren wir aber scheinbar eher mit der medizinischen Standardversorgung konfrontiert, was für uns im ersten Augenblick etwas ungewohnt war. Auf der anderen Seite war es aber auch irgendwie erschreckend und es bringt mich zum Nachdenken, wenn man sich vor Augen führt, dass die Leute bei größeren Unfällen ebenfalls dort behandelt werden müssen.

Bei aller Kritik, die oft auf unser Gesundheitssystem runterrasselt, sollte man sich immer darüber im Klaren sein, dass sehr sehr viele Menschen auf der Welt keinen Zugang zu einem annähernd guten Standard haben, wie wir es für selbstverständlich hinnehmen. Optimierungspotenzial gibt es sicherlich überall – selbstverständlich auch in unserem Gesundheitssystem.

Auch wenn die hygienischen Umstände wahrscheinlich jedem Mitarbeiter eines deutschen Krankenhauses die Nackenhaare aufgestellt hätten, waren die Mitarbeiter trotzdem wirklich sehr nett und hilfsbereit. Das nebenstehende Bild ist das einzige Foto, was ich im Krankenhaus gemacht habe, da ich bis dahin noch ziemlich mit der Verarbeitung der Gesamtsituation beschäftigt war. Bis dahin war uns außerdem noch nicht ganz klar, ob nicht doch etwas Schlimmeres passiert sein konnte. Auf dem Bild sieht man aber schon, dass der OP-Tisch nicht mehr ganz in Ordnung ist, doch die unzähligen Fliegen erkennt man nicht so gut wie in der Realität. Die Schere, mit der die Nähte geschnitten wurden, waren auch etwas rostiger als man es von einer medizinischen Einrichtung erwarten würde.

Die Stunde der Wahrheit – Was hat das alles gekostet?

Am Abend des Unfalls hatte ich noch die Mietwagenfirma kontaktiert, die am nächsten Tag um 12 Uhr an unserer Unterkunft eintraf.

Weil im Mietvertrag eine Art Versicherung mit Selbstbeteiligung enthalten war, musste ich nur die Selbstbeteiligung und den Bergungsservice zahlen. Im Endeffekt also ausschließlich 700 Euro für die Bergung, Selbstbeteiligung sowie das Nähen und die Medikamente im Krankenhaus.

Zu diesem Paket gab es die morgendliche Unterhaltung der Dorfbewohner inklusive. Augenscheinlich wird hier nicht so oft ein Auto per Kran geborgen.

Glück im Unglück

Nach dem wir uns das Auto noch einmal näher anschauten, waren wir einfach heilfroh, dass wir diesen Überschlag mit ein paar Kratzern, drei Stichen am Arm und 700 Euro weniger in der Tasche ziemlich glimpflich überstanden hatten. Es hätte einfach soviel mehr passieren oder schief laufen können.

Eigentlich hätten wir nur noch um diese letzte Kurve gemusst und wären 5 km später an unserer Unterkunft gewesen. Doch genauso gut hätten die Bremsen aber auch 500 m vorher versagen können und wir wären viel weiter den Hang hinuntergefallen und ich hätte das hier vermutlich nicht schreiben können.

Jimmy am Haken

Wenn man sich die Bilder nochmal in Ruhe anschaut, war es auch Glück, dass wir keine Verletzungen an unserem Hals oder Kopf davon getragen haben. Zum einen hätte uns wahrscheinlich niemand von der Straße aus im Busch gesehen, wenn wir bspw. ohnmächtig gewesen wären und zum anderen hätte uns sicherlich auch niemand so leicht aus dem Auto bekommen.

Ich glaube nicht an Götter oder andere übersinnliche Dinge, aber wenn es welche gibt oder noch ein wenig positives Karma in der Luft war, dann hatten wir wohl etwas davon abbekommen oder jemand hielt die Hand über uns für ein paar Sekunden.

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